Grußwort des Ortsbeauftragten zu Weihnachten und zum Jahreswechsel
Liebe Besucher und Besucherinnen von thw-lueneburg.de,
kurz vor Weihnachten erreichen uns schreckliche Nachrichten aus Berlin. Ein Attentäter mit islamistischen Hintergrund verübt einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt. Auf einen Ort, an dem Menschen vielleicht kurz den alltäglichen Stress, der in der Vorweihnachtszeit bei vielen noch etwas größer ist als sonst, vergessen wollen. Nichtsahnend genießen sie Glühwein und Bratwurst, als der Mann mit einem entführten LKW mitten in die Menschen steuert. Das der Terror nach fast einem Vierteljahrhundert wieder in Deutschland angekommen ist, dürfte spätestens seit den Ereignissen in Essen, Ansbach und Würzburg den meisten bewusst sein. Nun hat es zum ersten Mal nicht nur Verletzte sondern auch Tote gegeben. Das ist besonders schlimm. Natürlich ist jeder Anschlag ein Anschlag zu viel. Dabei ist es egal, ob er in Deutschland, Frankreich, Afghanistan oder der Türkei passiert. Es ist egal ob er von linken, rechten, islamistischen oder wie auch immer ausgerichteten Terroristen verübt wird. Gewalt war und ist nie die Lösung. Regime oder Strömungen die auf Gewalt und Unterdrückung gesetzt haben, haben schlussendlich nie auf Dauer überlebt.
Aber wie sollen wir mit der jetzigen Situation umgehen? Was muss jetzt passieren? Natürlich verunsichert dieses Ereignis auch mich, aber ich kann diese Fragen nicht beantworten. Ich lese, dass Terrorverdächtige Anschläge auf Züge und Bahnhöfe geplant haben. Orte, an denen ich mich beruflich bedingt fast täglich aufhalte. Aber was soll ich jetzt tun? Meinen Beruf wechseln oder mich einfach zu Hause einschließen? Tatsächlich ist die Antwort wohl eher ernüchternd. Ich selber kann kaum etwas tun, denn weder das eine noch das andere ist eine tatsächliche Option. Also muss jemand anders etwas für mich tun. Aber hier stellt sich die gleich Frage, was können, was sollen Staat und Politik für mich tun? Nun, da bin ich ehrlich, für mich gibt es auch hier wenig Optionen, wenn wir das Leben, wie wir es kennen, nicht aufgeben wollen. Jeder, der einfache Lösungen anbietet, verschweigt meiner Meinung nach, dass diese kaum zum Erfolg führen werden.
Leider leben wir jedoch in einer Zeit, in der Fakten wenig zählen. Nicht umsonst ist „postfaktisch“ das Wort des Jahres 2016. Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur, der gesunde Menschenverstand scheint ein Auslaufmodell zu sein. Plötzlich sollen sämtliche Medien und selbst das Internet zensiert und zentral gesteuert sein. Einfach so, von heute auf morgen. Nur eine wenige Eingeweihte kennen und sagen die Wahrheit. Und obwohl sie dies meist völlig unbehelligt tun können, egal wie populistisch, menschenverachtend oder schwachsinnig die jeweilige Aussage auch sein mag, behaupten sie, wir würden in einer Diktatur leben. Meist äußern sie dies, wenn jemand ihre Meinung nicht teilt. Sie wünschen dann demjenigen Gewalt und alles Schlechte, was man sich nur denken kann. Sie machen klar, wenn sie erst einmal an der Macht wären, dann würde es so eine Meinung nicht mehr geben. Dabei ist Freiheit doch immer die Freiheit der Andersdenkenden. Schon der französischer Dichter und Philosoph Voltaire hat schließlich gesagt:
„Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“
Warum wollen wir heute davon nichts mehr wissen?
Natürlich kann jeder in diesem Land seine Meinung frei äußern, so lange bestimmte Grenzen gewahrt werden. Und genau die kennen viele heute nicht mehr. Ja, es gibt kriminelle Flüchtlinge, aber nicht alle Flüchtlinge sind kriminell. Warum ist es überhaupt wichtig, woher jemand kommt, der eine Straftat begeht. Ist ein deutscher Mörder besser als ein afghanischer Mörder? Der Mörder meiner Mutter war ein strammer Deutscher und die Situation wäre für mich nicht anders gewesen, wenn es ein Türke oder Russe gewesen wäre. Rachegelüste hege ich keine, auch wenn der Rechtsstaat hier „nur“ Totschlag gesehen hat und der Mann, ein vorbestrafter Vergewaltiger und Gewalttäter, lediglich elf Jahre ins Gefängnis musste. Ob er sich geändert hat und geläutert ist? Ich weiß es nicht, wohl eher nicht. Aber gibt es etwas, was mir mehr Genugtuung verschafft hätte? Weder mir noch meiner Mutter hätte eine andere Strafe geholfen.
Mit diesem Mann würde ich trotzdem nicht zum Abendessen gehen. Aber auch wenn ich nicht besonders religiös bin, glaube ich doch daran, dass unsere Welt mit etwas mehr Nächstenliebe viel besser wäre. Einfach ausgedrückt, lasst uns einfach netter zueinander sein. Ich versuche, danach zu leben. Freundlichkeit kann viel bewirken. Wie man in den Wald hineinruft… Wie oft bekomme ich auch etwas zurück. Natürlich nichts materielles. Aber liebe Worte, Lob, Dank sind Dinge, die so viel wert sind. Deshalb engagiere ich mich auch im THW. Es ist einfach ein gutes Gefühl, Menschen zu helfen. Auch wenn „Gutmensch“ ja heute ein Schimpfwort ist, ich bin gerne ein guter Mensch. Und ich glaube fest daran, dass ich immer wieder belohnt werde für das, was ich tue. Es ist nicht der Lottogewinn, sondern es sind Kleinigkeiten. Glück, an der einen oder anderen Stelle mit einem blauen Auge oder sogar weniger davongekommen zu sein. Und manchmal gibt es Situationen in denen ich das Gefühl habe, nun wird Fehlverhalten bestraft. Haltet mich für verrückt, aber ich erlebe es so. Andere mögen es vielleicht einfach Schicksal oder Zufall nennen.
Jedenfalls mache ich mir Sorgen, große Sorgen um die Entwicklung in unserem Land, in Europa und in der Welt. Warum sprechen wir nicht darüber, dass die 62 (!) reichsten Menschen genau so viel Vermögen besitzen, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also etwa 3,7 Milliarden Menschen? Warum interessiert es uns nicht so sehr, dass große Konzerne unserem Staat Milliarden an Steuereinnahmen entziehen, damit die Reichen noch reicher werden können? Auch in Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast siebzig Prozent des Vermögens. Nun ja, nach gängiger Interpretation der Vermögenden sind die anderen eben einfach faul, denn es kann ja jeder reich werden. Und die, denen es schlecht geht, suchen sich auch ein Feindbild.
„Ein Banker, ein „Bild“-Leser und ein Asylbewerber sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zwölf Kekse. Der Banker nimmt sich elf Kekse und sagt zum „Bild“-Leser: „Pass auf, der Asylant will deinen Keks.“
Die Klischees mal außer acht gelassen, steckt da nicht viel Wahrheit drin?
Es gibt also vieles, über das wir nachdenken sollten. Und vielleicht kann jeder von uns versuchen, einen Teil dazu beizutragen, diese Welt ein bisschen besser zu machen. Auch ich bin nicht fehlerfrei und moralisch unfehlbar, aber ich versuche mein Bestes. Vielleicht ist es dann irgendwann einmal wie im Kino: Das Gute erringt den Sieg über das Böse und alle leben glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Ein Traum? Nun, ich sehe es eher als Hoffnung. Die Hoffnung, dass wir alle irgendwann in einer besseren Welt leben werden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2017. Bleiben sie uns gewogen und schauen sie auch im nächsten Jahr wieder regelmäßig bei uns vorbei
Herzlichst
Ingo Perkun
Ortsbeauftragter