Bundesjugendlager des THW: Altes Blech für junge Herzen
Das 16. Bundesjugendlager der THW-Jugend, das zurzeit in Neumünster abgehalten wird, liegt leider dieses Jahr außerhalb der niedersächsischen Schulferien. Eines der größten Jugendcamps Europas muß daher – bis auf eine Stippvisite zum Bundeswettkampf und den Prüfungen zu den Leistungsabzeichen am Wochenende – ohne die Junghelfer aus z.B. Lüneburg auskommen. Im Logistikbereich und unter den Hintergrundhelfern findet man allerdings einige Ehrenamtliche aus der kleinen Salzstadt. Sie engagieren sich in der Küche, der Essensausgabe, der Stromverteilung, dem Campaufbau – oder boten zwei Tage lang durchgehend fließend einen von den Jugendlichen sehr gut besuchten Workshop zur Organisationsgeschichte und der Technik „von damals“ an.
Hinter dem „Petromax-Workshop“ stand die THW-historische Sammlung. Mitarbeiter Rainer Mahn aus dem nicht weit entfernten Lübeck erweiterte das langjährige Jugendlager-Angebot, das alte Wissen um die legendäre Starklichtlaterne Petromax, ihrem Glühstrumpf und der Petroleum-Verdampfer-Technik zu begreifen, um eine historische Fahrzeugschau. Hierbei griff er auf das 1999 von zwei Lüneburgern gegründete Netzwerk der Interessengemeinschaft für historischen Luft- und Katastrophenschutz zurück. Der eine der beiden, heute Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Lüneburger THW-Ortsverband (der andere ist mittlerweile unser stellvertretender Ortsbeauftragter), stellte umgehend sein 1980er THW-Meldekrad zur Verfügung. Vom OV Hamburg-Altona kam der Hanomag A-L 28 Mannschaftskraftwagen (MKW; dereinst von eben jenen zwei Lüneburgern inkl. Gerätesatz restauriert) sowie der 1966er Funkkommandowagen aus dem Hause Auto Union (Typ F91/8 MUNGA) an die Holstenhallen. Vom Fernmeldedienst, der früher oft vom THW aufgestellt wurde, kamen ein Borgward B2500 A/O Funkkraftwagen und ein Führungskraftwagen Technische Einsatzleitung (Volkswagen Typ2 T3) aus dem Besitz der Hamburger Feuerwehrhistoriker in den hohen Norden. Die weiteste Anreise aber hatte Andreas Hartmann aus Steinau/Hessen, der die mehr als 500 Kilometer ins nördlichste Bundesland mit seinem über 50 Jahre alten Fernsprechkraftwagen (Büssing B2000 A/O) pannenfrei absolvierte.
Zünftig in den original Uniformen steckend ließen die IG-Mitglieder den THW-Nachwuchs teilhaben an der Angst vor der Atombombe, dem Kalten Krieg und der damaligen Technik. Sicherheitsgurte? Airbags? Was, diese Autos fahren noch??? Doch nicht nur die Oldtimer als solche faszinierten den Helfernachwuchs, auch der Stand der Gerätetechnik ließ viele große Augen machen. Spleißdorn, Steck-Strickleiter, Feldkabelbau und Wasserrucksack erweitern nun ihren Wortschatz. Nicht schlecht staunten die vielen Junghelfer über die funktionsfähig aufgebaute Vermittlungsstelle: Munter telefonierten sie von einem ins nächste Fahrzeug. Keine Handys und nur fünf Funkgeräte in der ganzen Bergungsbereitschaft mit ihren 150 Helfern? Leichte Atomkriegsschauer liefen ihnen hingegen im 55 Jahre alten MKW über den Rücken, wenn sie auf den Sitzbänken platznehmend in das angenommene Einsatzszenario eintauchten. Weiter vorne am Halleneingang wurde den Junghelfern durch die beiden altgedienten THW´ler Hans Lindner aus Berlin (Mitarbeiter der THW-historischen Sammlung) und Frank Kania vom Ortsverband Hamburg-Altona die Hohe Kunst der Petromax-Inbetriebnahme anschaulich vermittelt, während Workshop-Leiter Mahn schon wieder den Diavortrag startete, um die nächste Gruppe einzustimmen auf die Zeit, in der Fotos schwarz-weiß waren und Autos zweistellige PS-Zahlen hatten. Zwei volle Tage gab es einfach keinen Leerlauf in Halle 5.
Das Filmteam des Offenen Kanals, ebenfalls ein Jugendlager-Workshop, produzierte zwei Filmbeiträge zu den Fahrzeugen (Interview-Partner: Olaf Braasch, THW Lüneburg und Interessengemeinschaft historischer Katastrophenschutz) und zur Petromax (Interviewpartner: Lukas Hofstetter, THW-Jugend Landshut).
Als Fazit lassen die historisch Interessierten genußvoll THW-Präsident Albrecht Brömme zu Wort kommen. Der „Schwanen-Courier“, die täglich erscheinende Campzeitung, zitierte ihn in der Ausgabe vom 6. August auf Seite 4 mit dem Satz: „Wenn er in Neumünster mehr Zeit hätte, würde er gerne den Petromax-Workshop besuchen, um seine Kenntnisse, die er vor 40 Jahren erworben hat, wieder aufzufrischen.“ Bingo!
PS: Da das 35 Jahre alte Lüneburger Meldekrad mit seinem 122ccm-großen Motor heutzutage schon von 16jährigen gefahren werden darf, mußten ca. 55 ernsthaft vorgetragene Kaufofferten abgelehnt werden. Anschließend in 110 große traurige Kulleraugen zu blicken, war eine besondere Herausforderung für die Altmetallfreunde.
Bericht & Fotos: Olaf Braasch